Zwischen Konzertsaal und alpiner Stille

Die Schweizer Harfenistin Tjasha Gafner über ihre Arbeit und das Kraft schöpfen in den Bergen

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Von Til Rohgalf 

Der Solist*innen-Preis der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern ging in diesem Jahr an die Schweizerin Tjasha Gafner. Damit erhielt zum ersten Mal eine Harfenistin diese Auszeichnung. Dem Kulturkompass M-V verriet die 1999 in Lausanne geborene Tjasha Gafner Hintergründe zu ihrem musikalischen Werdegang und zu ihrem Solo-Album „From Keys to Strings“, das im Oktober erschienen ist.

Tjasha Gafner gab ihre ersten Rezitale bereits im Alter von zehn Jahren. Ihre musikalische Entwicklung sei keinem konkreten Plan gefolgt: „Musik zu meinem Beruf zu machen, war eigentlich keine Wahl, sondern eine Selbstverständlichkeit“, verrät sie. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Musik mich gewählt hat.“ Es folgten zahlreiche Wettbewerbe, die sie früh ins Ausland führten und ihr den Blick öffneten für das, was Musik jenseits des Übens im Alltag bedeuten kann. „Ich habe sofort gemocht, dass Musik ein Reisepass ist, um die Welt zu entdecken.“

Tjasha Gafner (Foto:@ Lila Barth)

Neun Jahre lang studierte sie bei Letizia Belmondo in Lausanne, die sie als zentrale Mentorin bezeichnet. Danach wechselte sie an die Juilliard School nach New York, wo sie eine neue Sicht auf ihr Fach kennenlernte: „Musik wurde nicht nur unter dem Aspekt der künstlerischen Vielfalt gesehen, sondern auch durch den Blick der Business-Kurse.“ Anschließend kehrte sie nach Europa zurück und absolvierte in Genf einen pädagogischen Master. Parallel zu all dem verfolgte sie konsequent ihre Konzertkarriere – vieles lief parallel: Ihren Bachelor schloss sie ab, während sie noch zur Schule ging. Ihre Doktorarbeit in Erziehungswissenschaften schrieb sie, während sie sich auf den ARD-Musikwettbewerb vorbereitete, den sie schließlich gewann. „Ich bin es gewohnt, mehrere Projekte gleichzeitig zu verfolgen“, resümiert sie.

Das Besondere am Klang der Harfe zu definieren, falle ihr nicht leicht: „Für mich ist die Harfe sehr intim, aber komplex.“  Ihr Instrument hat für sie wenig mit gängigen Vorstellungen von Glissandi und kristallinem Klang zu tun: „Es gibt viel mehr zu entdecken. Eine Harfe klingt warm, manchmal perkussiv, und sie reagiert sehr stark auf den Anschlag der Person, die sie spielt.“ Der individuelle Klang sei sogar so ausgeprägt, dass man „viel von einer Persönlichkeit erkennt, wenn jemand Harfe spielt“.

Auf ihrem aktuellen Album „From Keys to Strings“ interpretiert Tjasha Gafner Suiten und Sonaten von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Sebastian Bach – Werke, die die Musikerin eigens für die Harfe transkribierte. Eine Tätigkeit, die für Tjasha Gafner einen natürlichen Prozess darstellt: „Ich beginne immer mit einem Stück, das mich tief berührt“, führt sie aus, „wenn ich es liebe, möchte ich es auf der Harfe spielen – auch wenn es schwierig ist.“ 

Tjasha Gafner, black and white landscape portrait (Foto: © Philippe Pache)

Die Auswahl der Stücke sei dabei ganz natürlich entstanden: „Was mich an diesen drei Komponisten berührt, ist ihr sehr menschlicher Zugang zur Musik: Bei Haydn und Mozart diese humorvolle, freie, geistvolle Leichtigkeit; bei Bach eine schwindelerregende Komplexität, die dennoch schlicht erscheint. Mir gefiel die Idee, Eleganz und feinen Humor in einem Projekt zu vereinen.“

Die Musikerin sieht ihre Transkriptionen nicht als Versuch, andere Instrumente nachzuahmen. „Ich möchte kein Fortepiano oder eine Laute imitieren. Es geht darum, neue Dimensionen zu schaffen und mit dem Resonanzverhalten der Harfe zu spielen.“ Die Harfe wirke zunächst leicht, könne aber erstaunliche Tiefe entwickeln – besonders im Bass. „Das hört man auch auf dem Album.“ 

Unter Nutzung eines bemerkenswerten Klangspektrums erschafft Tjasha Gafner ein Hörerlebnis von großer Transparenz und Klarheit. In Lausanne aufgewachsen, prägen sie die Berge und der Alpinismus ist ein bedeutender Teil ihres Lebens: „Wenn es eine Verbindung zwischen Harfe und Alpinismus gibt, ist es wohl die Saite bzw. das Seil: In beiden Fällen sind Berührung, Präzision und Sensibilität entscheidend.“

Die Berge seien für sie aber vor allem eine Frage des Gleichgewichts – nach Konzerten und Tourneen sammle sie Energie in der alpinen Stille und Einsamkeit: „Die Berge helfen mir, einen manchmal sehr schnellen und lauten Alltag auszugleichen und wieder zu mir selbst zurückzufinden – ein wertvolles Gleichgewicht zwischen meiner musikalischen Welt und der Natur.“

Dieser Ausgleich wird mit Sicherheit auch in Zukunft wichtig für die Musikerin, denn ihr Terminplan ist voll: „Ich schließe gerade eine Konzertreihe mit den Münchner Symphonikern ab – es ist sehr inspirierend.“ Weitere Orchesterprojekte in der Schweiz folgen und „Ende November stoße ich zum Ensemble des Königlichen Philharmonischen Orchesters Lüttich in Saint-Émilion für ein Kammermusikprogramm, auf das ich mich sehr freue“, betont Gafner.

Für das kommende Jahr stehen diverse Konzerte an: Genf, Cottbus, Potsdam, Zürich, Luzern, der World Harp Congress in Toronto, Tourneen durch Frankreich und Belgien mit der Theatergruppe 2bcompany – „die Liste wächst weiter!“ Bei allen Terminen steht für die Musikerin fest: „Für mich entsteht alles aus Freude am Tun – und dann schaut man, wohin es führt.“ Auftreten wird die Preisträgerin im kommenden Jahr auch bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern.  

Titelfoto: Tjasha Gafner (Foto:@ Lila Barth)

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Til Rohgalf studierte Sonderpädagogik, Philosophie und Geschichte (M.A.), er ist im Schuldienst tätig, musikbegeistert und musikalisch aktiv. Ihn interessieren politische, kulturelle und geistesgeschichtliche Themen.
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