Schwerin vor 100 Jahren – Reichspräsident Hindenburg zu Besuch

Ganz wie in alten Zeiten – Der Besuch von Reichspräsident Hindenburg in Schwerin am 13. September 1925

In der neuen Artikelreihe „Schwerin vor 100 Jahren“ stellt der Geschichtswissenschaftler und Stadtarchivar Dr. Bernd Kasten historische Geschehnisse in der Landeshauptstadt vor. Zum Auftakt geht es um einen hohen Staatsbesuch: Reichspräsident Paul von Hindenburg reiste im September 1925 nach Schwerin. Während das bürgerlich-nationalistische Lager den Tag feierlich beging, blieben Sozialdemokraten und Gewerkschaften bewusst fern – ein Spiegel der politischen Spannungen jener Jahre.
Folge 1: Der Hindenburg-Besuch in Schwerin

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Von Bernd Kasten

In der großherzoglichen Residenzstadt Schwerin gehörten Empfänge gekrönter Häupter in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg fast zum Alltag. Die Königin der Niederlande, der König von Siam und immer wieder auch der deutsche Kaiser – sie alle wurden am Bahnhof mit großem protokollarischen Aufwand begrüßt und fuhren dann in offener Kutsche durch die von jubelnden Menschenmassen gesäumten Straßen zum Schloss. 

Nach der Novemberrevolution 1918 gab es das nicht mehr, was bei manchen Bewohnern der Landeshauptstadt gewisse Entzugserscheinungen auslöste. Umso begeisterter reagierten viele, als der neu gewählte Reichspräsident Paul von Hindenburg im September 1925 seinen Besuch ankündigte. Wie es sich für einen ehemaligen Feldmarschall gehörte, nahm der Reichspräsident als Beobachter an den Divisionsmanövern bei Neubrandenburg teil und nutzte diese Gelegenheit zu einem Abstecher nach Schwerin.

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Die deutschnationale Landesregierung unter Ministerpräsident von Brandenstein scheute keine Kosten und Mühen, um einen ganz großen Empfang für den ihr politisch wie mental sehr nahestehenden Reichspräsidenten zu organisieren. Gleichwohl gab es deutliche Unterschiede im Vergleich zur Zeit vor 1914. Der hohe Gast fuhr jetzt im Auto durch die Stadt, und er wurde auch nicht mehr von Ludwigsluster Dragonern, sondern von berittenen Polizisten eskortiert.

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Das Schloss war jetzt ein Museum und stand folglich nicht mehr zur Verfügung, weswegen um 12 Uhr das aus Seezungenfilet und Rehrücken bestehende „Frühstück“ im Vortragssaal des Landeshauptarchivs eingenommen werden musste.

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Immerhin konnte wie zu großherzoglichen Zeiten eine Dampferfahrt auf dem Schweriner See angeboten werden, wo, wie die Mecklenburgische Zeitung schrieb, „die Schönheit der Schweriner Seen- und Waldlandschaft auf den Reichspräsidenten sichtlich Eindruck machte“. Anschließend gab es im ehemaligen „Nordischen Hof“ (heute Finanzministerium) in der Schlossstraße noch einen Empfang für die Vertreter der mecklenburgischen Bevölkerung. Eingeladen waren die Präsidenten von Handels-, Handwerks- und Anwaltskammer, Vereinsvorsitzende, Landtagsabgeordnete, aber auch berufstätige Frauen wie Krankenschwestern und Fernsprechgehilfinnen – was es vor 1914 eindeutig nicht gegeben hätte.

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Die Behauptung von Oberbürgermeister Weltzien, „die gesamte Einwohnerschaft“ begrüße begeistert ihren Helden in der Hoffnung, „daß es ihm beschieden sei, unser deutsches Vaterland aus seiner tiefen Erniedrigung wieder aufwärts einer besseren Zukunft entgegenzuführen“, traf keineswegs zu. Das Ganze war eine sehr rechtslastige Veranstaltung. Es wehten die schwarz-weiß-roten Fahnen des Kaiserreichs, Spalier standen die aus dem ganzen Land in die Stadt gebrachten Mitglieder der mecklenburgischen Kriegervereine einschließlich der Deutschvölkischen und der Nationalsozialisten.

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Für das bürgerliche Lager in Schwerin war das ein großer Tag. Hindenburg genoss in diesen Kreisen ein immenses Ansehen, wurde wie ein Heilsbringer gefeiert. Friedrich Beyer, der Chefredakteur der liberalen Mecklenburgischen Zeitung, nannte ihn „einen Menschen von überragenden Geistesgaben, einen Mann von überragendem Genie“, was schon recht irrwitzig anmutet angesichts der Tatsache, dass der alte Herr schon zu seinen besten Zeiten nie durch überdurchschnittliche Intelligenz aufgefallen war.

Die SPD boykottierte die Feier komplett. Die zum Empfang im „Nordischen Hof“ eingeladenen Gewerkschaftsführer und sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten sagten alle ab, das rechte Lager blieb unter sich.

Alle Fotos und Dokumente: Stadtarchiv Schwerin

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Bernd Kasten, Dr., Jg. 1964, Studium von Geschichte und Englisch, seit 1993 Leiter des Stadtarchivs Schwerin. Privatdozent an der Universität Rostock und Autor zahlreicher Monografien und Aufsätze zur mecklenburgischen Landesgeschichte. 

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