„Nie vorher sah ich Sonne und Mond so aufgehen.“

Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag von Ruth Klatte

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Von Marion Wulf-Nixdorf

Die Eröffnung der Ausstellung anlässlich ihres 100. Geburtstages im Ahrenshooper Kunstmuseum mit Landschaften, farbenfrohen Blumenbildern und Porträts konnte die zierliche alte Dame noch miterleben und genießen – trotz all ihrer sonstigen Zurückhaltung und Bescheidenheit. Nur wenige Tage später, am 27. Juli, verstarb die Malerin Ruth Klatte aus Wieck auf dem Darß.

Ihre Meisterschaft erlangte Ruth Klatte in meinen Augen mit ihren, zum Teil farbigen, Linol- und Holzschnitten. Auch Aquarelle, Kreidezeichnungen sowie Ölbilder auf Hartfaser, Pappe oder Papier sind in der Werkschau zu sehen. Ihre großen Reisen, davon eine 1957 nach Italien, eine andere nach Armenien (1972), erbringen eine reiche Ernte. Gezeigt werden unter anderem der farbige Linolschnitt „Alte Frauen in Armenien“ von 1979 und „Brücke in Urbino“, 1959/50 gemalt in Öl auf Hartfaser – in ganz unterschiedlichen Handschriften.

Bei dem Bild „Schaf unter Rosen“ von 1964 stutzt die Betrachterin und denkt an den in Schwaan 1872 geborenen Maler Rudolf Bartels, aber es ist Ruth Klattes Ölbild. Sie war eine vielseitige Malerin. Immer wieder erscheint sie neu in ihrem Ausdruck. Anrührend ihr Bild „Begräbnis von Alf“, Öl auf Pappe, 1962, dem man den Schmerz anmerkt. Oder das Aquarell „Nach dem Regen“, 1966 – hier meint man, die feuchte Luft am Gartentisch mit den umgeklappten Stühlen zu riechen. Ganz anders dann das expressionistisch anmutende Ölbild „Buchenwald“ von 1960. 

Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die am 15. Juli 1925 in Dresden geborene Ruth Klatte mit ihrem Mann, dem Juristen Dr. Gerhard Klatte, eine Woche lang in Ahrenshoop. Sie kam jedes Jahr mindestens vier Wochen, malte und freundete sich mit anderen hier fest lebenden Künstlern an, mit der Familie Klünder, Fritz Koch-Gotha und seiner Frau Dora Koch-Stetter, mit Doris Oberländer und Frida Löber. In Barth, nahe Wieck, freundet sie sich mit der Malerin Elisabeth Sittig an. 

Buchenwald, 1960, Öl auf Leinwand, Sammlung des Landkreises Vorpommern-Rügen

Die längste Zeit ihres Lebens verbrachte Ruth Klatte auf dem Darß. In dem kleinen Boddendorf Wieck hatte sie sich nach der Trennung von ihrem Mann 1961 ein kleines, fast ruinöses Haus, eine Kate, gekauft, wie üblich hier mit einem schilfgedeckten Dach. Es habe aber einen neuen, allerdings noch nicht abbezahlten Schornstein gehabt, schreibt Elke Erdmann in einem Porträt über Ruth Klatte, das 2022 in dem Buch „Zwischen Meer und Bodden – Menschen auf Fischland und Darß“ im Hinstorff Verlag Rostock erschienen ist. Ein Künstler und Freund habe geholfen, den Katen herzurichten. Es bleibt ihr Domizil bis zu ihrem Tod.

Selbstporträt 1962, Öl auf Hartfaser, Sammlung des Landkreises Vorpommern-Rügen

Wer einmal Ruth Klatte besucht hat, wird ihren wunderbaren Garten mit all den blühenden Königskerzen, Hortensien und Malven nicht vergessen und auch nicht die Malerin in ihrem Haus, umgeben von vielen Bildern, dem Klavier und immer zur Hand die Bibel und die Losungen. Zu ihrem 80. Geburtstag schrieb sie: „Nie vorher sah ich Sonne und Mond so aufgehen – und den Sternenhimmel ganz. Dieses war bestimmend für mich. Dort wollte ich nun malen.“ Und das tat sie – über 60 Jahre. 

Schon 1959 stellte sie in Meiningen aus, wo sie zehn Jahre lang lebte. Ihre späten Ausstellungen waren meist in Mecklenburg-Vorpommern. Aber 2006 konnte die Schriftstellerin Ingrid Schreyer die damals fast 80-jährige Malerin überreden, nach Kronberg bei Frankfurt am Main mitzufahren, denn es wurden Werke Ahrenshooper Malerinnen präsentiert.

Über 60 Bilder aus Ruth Klattes langem Schaffen werden bis zum 5. Oktober in einer Sonderausstellung im Kunstmuseum in Ahrenshoop gezeigt. Viele Leihgaben aus dem Darßmuseum Prerow, der Kunstsammlung des Landkreises Vorpommern-Rügen und aus privatem Besitz sind zu sehen.

Ruth Klatte wurde am 6. August in Prerow beigesetzt.

Titelfoto: Brücke in Urbino, 1959/60, Öl auf Hartfaser, Privatbesitz, Wieck. Alle Fotos: Marion Wulf-Nixdorf

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Marion Wulf-Nixdorf ist seit 67 Jahren Mecklenburgerin. Davon hat sie 41 Jahre mit Herz und Seele als Journalistin in Schwerin gearbeitet.
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