Jazz from outer Space

„Das Kondensat” spielt bei der Schweriner Jazznacht

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von Til Rohgalf

Der Saxophonist Gebhard Ullmann, Bassist Eric Schaefer und Oli Potratz (Drums) sind viel beschäftigte Größen der deutschen Jazz-Szene. Seit einigen Jahren arbeiten sie als Trio neben dem klassischen Jazz-Instrumentarium auch mit elektronischen Komponenten.

Der Name ist dabei vielsagend: Ein Kondensat ist der flüssige Zustand eines Stoffs, der zuvor gasförmig war und durch Abkühlung oder Druckerhöhung seinen Aggregatzustand verändert hat. Ebenfalls komprimieren und formen die drei Musiker eine Vielzahl flüchtiger Inspirationen zu ihrem eigenen musikalischen Stoff, der bewusst mit genrespezifischen Hörgewohnheiten bricht: „Die Vision ist und war, Elektronisches, Live Sound Processing, Improvisation, Prog Rock, Dub, Noise und allerhand Undefinierbares zu einer eigenen Musik zu verschmelzen”, verrät Gebhard Ullmann.

v.l.n.r.: Eric Schaefer, Gebhard Ullmann und Oli Potratz (Foto: Dovile Sermokas)

Das Ergebnis lässt auf dem nunmehr dritten Album des Trios, „Andere Planeten” (2023), dank seiner stilistischen Vielseitigkeit aufhorchen. Ergänzt wurde das Trio auf diesem Album von Liz Kosack, einer Grafikerin und Musikerin, die in New York und Berlin lebt. Sie war bereits bei mehreren Jazzproduktionen für die Integration elektronischer Sounds verantwortlich, u. a. beim Trio Vax. Erinnert der Opener des Albums, „Ich ahne Luft von anderen Planeten”, noch an so manche ECM-Produktion, entfaltet sich der Nachfolger „Otario 1970” dank robuster Schlagzeugarbeit zu einer Jazz-Rock-Nummer, die aber anstelle von Melodien zum Mitsummen spacige Sounds aus analogen Synthesizern verwendet. Mit ähnlichen Ingredienzien wartet auch der Track „25 Rotations Later” auf.  „Impromptu #4” oder „K2-9b” weisen sanft in Richtung Free Jazz. Dank der wabernden Synthesizersounds verlieren sich diese Tracks aber nicht in strukturloser Beliebigkeit.

Foto: Dovile Sermokas

„A Strict Regime” wagt dagegen einen Ausflug in Krautrockgefilde: Befreit von Tempo und Takt schlängeln sich Saxophon und Modularsynthesizer durch eine vierminütige Soundfläche mit hohem Improvisationsanteil – unterstützt durch effektverzerrte Basstöne. Bei den beiden Tracks „Andere Planeten (1)” und „…(2)“ zollen die Musiker experimentellen Ambient-Sounds Tribut. Voller Souveränität und mit schlafwandlerischer Intuition im Zusammenspiel durchschreiten die Musiker diese vielseitige, aber wohl abgestimmte musikstilistische Tour de force. Es sind dabei insbesondere Liz Kosacks und Eric Schaefers so „unjazzige“ analoge Synthesizer-Sequenzen, die dem Album einen ganz besonderen Charme verleihen und die Tore zu musikalischem Neuland weiter öffnen. Manchmal klingt es so, als sei dieses Neuland nur mit einer lichtjahreweiten Reise durch ferne Galaxien zu erreichen. 

Foto: Dovile Sermokas

Dass die Elektronik die Klangpalette des Jazz-Trios so organisch erweitert, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass sie ein elementarer Bestandteil der gemeinsamen Soundentwicklung ist, wie Gebhard Ullmann erklärt: „Jeder der drei hat sich auf seinen eigenen Zugang zur Live-Elektronik fokussiert. Bei Eric Schaefer ist es der analoge Synthesizer, bei Oliver Potratz ein ganzer Pulk von Effektgeräten und bei mir Looping, Effekte und die Klangwelten, die ich mit meinen Blasinstrumenten als Basis erschaffe.” Dabei entstehen die Stücke von „Das Kondensat” auf sehr unterschiedliche Weise: Mal sind kompositorische oder konzeptionelle Elemente die Grundlage, mal live improvisierte Kompositionen – sogenannte „Instant Compositions”. Immer aber führt die Freude am Spielen und Experimentieren dazu, dass die Stücke bei jedem Konzert wieder neu entstehen. 

So können sich auch Besucher*innen der Schweriner Jazznacht auf ein musikalisches Abenteuer einstellen, „auf nie vorher gehörte Klangwelten und auf eine Musik, die nur an diesem Abend in dieser Form zu erleben sein wird.”

Schweriner Jazznacht „Das Kondensat”, Kunst- und Musikschule ATARAXIA, 17.05. ab 18:30 Uhr.

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Til Rohgalf studierte Sonderpädagogik, Philosophie und Geschichte (M.A.), er ist im Schuldienst tätig, musikbegeistert und musikalisch aktiv. Ihn interessieren politische, kulturelle und geistesgeschichtliche Themen.

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