Im Werden

Die Künstlerin Lore Möhwald stellt im „tisch“ in Schwerin aus

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Von Til Rohgalf

Große Formate. Unzählige Buntstiftstriche, die mäandernde, ineinander verästelte Strukturen bilden. Der Blick der Besucher*innen des Schweriner Co-Working-Cafés „tisch“ fällt unweigerlich auf die im Eingangsbereich ausgehängten abstrakten Bilder. Geschaffen hat sie die in der Uckermark lebende Künstlerin Lore Möhwald. Für den Kulturkompass beantwortete sie Fragen zu ihrem Schaffen und zur aktuellen Schau. 

Sofort fällt auf: Die Ausstellung beinhaltet nicht ausschließlich fertige Werke, sondern auch ein Großformat, das von der Künstlerin zu Beginn der Ausstellung sukzessiv entstand. Für Lore Möhwald (*1998) eine besondere Erfahrung:

„Ich habe mir für die Arbeit an der Wand fünf Tage Zeit genommen. Am Montag vor der offiziellen Öffnung des Co-Working-Cafés habe ich begonnen, die ersten Striche zu setzen. Später kamen Menschen, suchten eine ruhige Ecke, um ebenfalls zu arbeiten.“

Die Künstlerin wurde somit Teil des Coworking-Prozesses. Sie arbeitete über mehrere Stunden in der Nähe der Cafébesucher*innen und Mitarbeiter*innen, die selbst an eigenen Projekten und Aufgaben arbeiteten. Ein ungewöhnlicher Eventcharakter, der sich in die stille und konzentrierte Atmosphäre des Ortes einfügte: 

„Die Mitarbeiter*innen und Gäste konnten wohl Folgendes beobachten: wie ich sehr oft meine Stifte anspitzte, wie ich direkt auf der Wand oder mit einem langen Stock als Armverlängerung schnell und langsam Striche zog und wie sich das Bild von Stunde zu Stunde veränderte.“

Der Prozess hat in Lore Möhwalds Werk einen hohen Stellenwert. Es reize sie der Gedanke, auf einer Fläche so lange zu arbeiten, bis diese nicht mehr aufnahmefähig ist – arbeiten, bis der Untergrund dunkel ist oder ihre Stifte aufgebraucht sind. „Das habe ich bisher noch nicht geschafft – meine Bilder wurden bisher immer vorher – zu früh – fertiggestellt“, gesteht sie.

Der Fokus auf den Entstehungsprozess rückt für die Künstlerin auch die aktive und körperliche Arbeit als wichtige Komponente ihres Schaffens in den Vordergrund: „Das ‚Bildermachen‘ muss mich auch körperlich erschöpfen. Meine Arme dürfen nach einem Arbeitstag wehtun und meine Schultern schmerzen.“

Nach vielen Stationen u.a. in Hamburg, Leipzig, Greifswald und Reykjavik ist Lore Möhwald wieder zurückgekehrt in die ländliche Uckermark. Auf dem Land künstlerisch zu arbeiten, sagt sie, könne sich manchmal einsam anfühlen, sei aber – abseits von Großstädten und ihren Kulturinstitutionen – vor allem befreiend. Sie möchte dieses Leben derzeit nicht missen: „Wenn ich zum Frühstück mein Ei pelle, gehe ich anschließend mit den Eierschalen raus und verteile sie unter meinen Weinstöcken. Wäsche wird gewaschen, wenn es windig oder sonnig ist, so dass sie schnell im Garten trocknet.“

Die Nähe zur Natur, in der ihre Kunst entsteht, mag angesichts ihrer nonfigurativen Kunst erstaunen. Sie arbeite seit zwei Jahren draußen im Garten. Eine Notlösung, da ihr der Platz in einem Atelier fehle. Das Erfahren und Untersuchen ihrer Umgebung, die Auseinandersetzung mit Fundstücken und Artefakten aus ihrer Umwelt sei aber eine Leidenschaft, die sich auch auf ihr künstlerisches Arbeiten auswirke. 

Fast folgerichtig: Nach dem Abschluss an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg absolvierte Lore Möhwald in Berlin und Leipzig ein Studium der Früharchäologie:

„Wenn ich im Garten umgrabe und ein Stück Scherbe mit Verzierungen und Töpferrillen finde, trifft mich eine unheimliche Neugierde und Faszination. Ich stelle mir Fragen mit vielfältigen Antworten. Diese Neugierde finde ich auch in der Begegnung mit künstlerischen Arbeiten.“

Ihre Werke, die bei aller Dynamik eine meditative Wirkung entfalten, sind oft getragen von einer archaisch anmutenden Einfachheit. Die Faszination der Künstlerin für frühgeschichtliche Archäologie mag hierfür ein Einfluss sein.

Fotos: Til Rohgalf

Lore Möhwald hat im Laufe ihres Schaffens mit unterschiedlichen Materialien und Techniken gearbeitet: Phasen, in denen Werke aus Öl auf Leinwand dominierten, werden abgelöst von Zeiträumen, in denen Kaltnadelradierungen im Fokus standen. Derzeit arbeitet die Künstlerin vornehmlich mit Buntstiften auf Papier. Ein großer Plan stehe nicht dahinter, es sei „wie das Flanieren durch eine unbekannte Stadt. Der Weg ergibt sich fast zufällig, sobald man einen Blick in verschiedene Straßen wirft.“

Lore Möhwalds Arbeit wird durch das Förderprogramm „mentee > mentoringKUNST“ unterstützt. Es richtet sich an bildende Künstlerinnen und Schriftstellerinnen aus Mecklenburg-Vorpommern, und es umfasst neben dem Mentoring auch thematische Kurse an unterschiedlichen Kunstorten des Landes. Zum Abschluss des aktuellen Förderzeitraums findet eine Ausstellung aller Mentees statt, die am 19. November in der Galerie „Hinter dem Rathaus“ in Wismar eröffnet wird.

Titel: Lore Möhwald (Foto: @Johannes Menzel)
In der Reihe „Im kleinen Rahmen“ sind Lore Möhwalds Werke noch bis zum 09. Januar 2026 im Co-Working-Space „tisch“ in Schwerin zu sehen.

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Til Rohgalf studierte Sonderpädagogik, Philosophie und Geschichte (M.A.), er ist im Schuldienst tätig, musikbegeistert und musikalisch aktiv. Ihn interessieren politische, kulturelle und geistesgeschichtliche Themen.
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