Eine Orange aus Jaffa

Das Internationale Haus Schwerin zeigt palästinensische Kurzfilme

.

von Til Rohgalf

Der erwachsene Sohn möchte sich mit seiner Mutter treffen. In vielen Orten der Welt eine Selbstverständlichkeit. Für Mohammed, einem Palästinenser aus Gaza mit polnischer Aufenthaltsgenehmigung, wird dieser triviale Plan zu einer unvorhersehbaren und gefährlichen Odyssee, denn er versucht, das israelisch besetzte Westjordanland über israelische Checkpoints in Richtung Jaffa zu verlassen. In seinem Kurzfilm „Eine Jaffa-Orange” (2024) erzählt der polnisch-palästinensische Regisseur Mohammad Almughanni diese Reise in schlichten, aber eindringlichen Bildern. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelingt es dem Protagonisten schließlich, den gutherzigen Taxifahrer Farouk davon zu überzeugen, ihn mit über die Grenze zu nehmen. Als Mohammads Aufenthaltsgenehmigung von israelischen Grenzsoldaten einkassiert wird und sich herausstellt, dass er versucht hatte, an einem anderen Checkpoint zu passieren, werden die beiden vom israelischen Militär festgesetzt. Farouk droht, seine Lebensgrundlage als Taxifahrer zu verlieren. Viele quälende Stunden verbringen die beiden im Auto, der Willkür der israelischen Soldat*innen ausgesetzt. Die Erlaubnis zur Weiterfahrt ist schließlich ein ebenso absurder Akt. Beide teilen während der Weiterfahrt Farouks Orange aus Jaffa.

In Andeutungen, kurzen Sequenzen und emotionalen Eruptionen skizziert Mohammad Almughanni meisterhaft nicht nur die geographische, sondern auch die gesellschaftliche Zerrissenheit, die die palästinensische Bevölkerung seit Jahrzehnten der israelischen Besatzung und völkerrechtswidrigen Landnahme erleben. Dabei gewinnt der Film insbesondere aufgrund seiner Unaufgeregtheit und der szenischen Reduktion auf den Mikrokosmos Checkpoint an Intensität. 

Die Orangen von Jaffa wurden seit dem 19. Jahrhundert als spezielle, kernarme und dickschalige Orangensorte im Gebiet des damals arabisch wie jüdisch geprägten Jaffa angebaut. Sie wurden zu einem wichtigen Exportgut Palästinas. Nach der Gründung Israels und der Vertreibung vieler Palästinenser*innen übernahmen jüdische Israelis viele der Plantagen. Die Orangen wurden unter demselben „Jaffa“-Label ein wichtiges Exportgut des jungen Staates. Gleichzeitig ist das Obst für die palästinensische Seite ein Symbol für Enteignung und Verlust der Heimat.

Zu sehen ist der Film „Eine Jaffa-Orange“ neben zwei weiteren Kurzfilmen am „Abend für Palästina” im Internationalen Haus in Schwerin am 20. Juni ab 19:30 Uhr.

.

Til Rohgalf studierte Sonderpädagogik, Philosophie und Geschichte (M.A.), er ist im Schuldienst tätig, musikbegeistert und musikalisch aktiv. Ihn interessieren politische, kulturelle und geistesgeschichtliche Themen.

Sie möchten uns zu dem Beitrag ihre Meinung sagen? Haben Vorschläge, Ideen oder Kritik? Hier ist dafür die richtige Adresse: info@kulturkompass-mv.de

Verwandte Beiträge