Doppelter Boden – Kunst, die den zweiten Blick fordert

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Von Peter Scherrer

Die Schweriner Galerie Dezernat 5 zeigt eine neue Werkschau mit Kunst aus der Partnerstadt Wuppertal. Titel: „Doppelter Boden“. Schon der Name verrät, worum es geht – um Täuschung, Tiefgang und Perspektivwechsel.

Weiße Wände, klare Formen, helle Räume: Die Galerie wirkt frisch, schnell, klar und manchmal technisch. Was aussieht wie ein Schalter, ein Sicherungskasten oder ein Feuermelder, entpuppt sich erst beim zweiten Blick als Kunstobjekt.

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Ein Beispiel: Eine rote Säule mitten im Raum erinnert an eine Zapfsäule. In Wahrheit bezieht sie sich auf die Ruhmeshalle in Wuppertal-Barmen – ein Denkmal kaiserzeitlicher Größe, das hier ironisch gebrochen wird. Künstler Andreas M. Wiese nennt sein Werk „Ruhmstation“. Vielleicht kann man hier ein bisschen Ruhm abzapfen?

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Ein „Kaffeetelefon“ lässt darauf hoffen, der Anrufer könne hier einen Kaffee bestellen. Da wird er wohl lange warten müssen. Ein hinzugestellter Stuhl macht das Warten erträglich.

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Hinten im Raum hängt ein kleiner roter Kasten mit der Inschrift „Verweile doch“. Viele Besucher laufen vorbei, halten ihn für einen Feuermelder. Erst wer innehält, erkennt die Einladung. Genau das meint der Ausstellungstitel: Kunst, die den zweiten Blick verlangt.

Der Ausdruck „Doppelter Boden“ stammt ursprünglich aus Theater, Literatur und Magie. Er beschreibt Mehrdeutigkeit, Geheimfächer, versteckte Wahrheiten. Auch als Metapher passt er in unsere Zeit: Wahrnehmung, Täuschung und Schein durchziehen Medien und Meinungsbildung.

Schein oder Sein – drei Ermunterungen aus Wuppertal

Piet Biniek zeigt die Brüche zwischen Schönheit und Verfall. Die Künstlerin arbeitet mit Fotografie, Tanz und Performance. Eine zusammengenähte Tomate wirkt etwa wie ein Symbol der Heilung – bis der Schimmel unter der Oberfläche sichtbar wird. Piet Biniek überlässt ihre Werke der Interpretation: Was das Publikum darin sieht, entscheidet über deren Bedeutung.

Andrea Raak spielt mit Alltagsmaterialien. Vergänglichkeit ist Teil ihres Konzeptes. Am Strand waschen Wellen zwei aus Sand geformte Brüste weg. In einem Video tanzen zwei Wasserfontänen über ein Feld. In ihrer Bewegung verwandeln sie sich in imaginäre Wesen – zwischen Realität und Illusion, greifbar und flüchtig zugleich. Drei Schubladen laden ein, sie aufzuziehen. Sie sind fest an der Wand angebracht und „gaukeln“ so einen Inhalt vor, den es aber nie gegeben hat.

Kunst als Wirklichkeitsprüfung

„Doppelter Boden“ zeigt, wie leicht Wahrnehmung täuschen kann. In Zeiten digitaler Überreizung ist das ein hochaktuelles Thema. Was ist echt, was Schein? Wer hier durch die Räume geht, muss lernen zu zweifeln – und muss doppelt hinschauen.

Bei der Ausstellungseröffnung v.r.n.l.: Andreas M. Wiese, Piet Biniek und Andrea Raak (Alle Fotos: Peter Scherrer)

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Die Ausstellung „Doppelter Boden“ ist noch bis zum 16. November zu sehen. Alle Infos zu den weiteren Veranstaltungen in der Galerie gibt es auf der Website von Dezernat 5.

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