Die USA unter Trump: Noch ist es nicht zu spät!

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Von Gerald Ullrich

Anfang Dezember erschien in der Online-Publikation Foreign Affairs ein Beitrag der Politikwissenschaftler Steven Levitsky, Lucan Ahmad Way und Daniel Ziblatt. Sie befassen sich darin mit Prognosen, die die beiden erstgenannten Forscher über die politische Entwicklung in den USA nach der Machtübernahme durch Donald Trump gemacht haben. In einem vorangegangenen Beitrag befürchteten sie, dass Präsident Trump die USA in ein als „kompetitiver Autoritarismus“ bezeichnetes Herrschaftssystem umwandeln könnte. Damit ist eine autoritäre Umwandlung der Demokratie von innen heraus gemeint, wobei der Anschein einer demokratischen Verfassung gewahrt wird und Wahlen weiterhin abgehalten werden. Aber der Wettbewerb um die Macht (kompetitiv) findet dort unter Bedingungen statt, die systematisch zugunsten der autoritären Machthaber verschoben sind. Das schließt mit ein, dass der Staat zur Waffe gegen politische Gegner umfunktioniert und eingesetzt wird. Historische Vorbilder für diese Mischform aus Autokratie und Demokratie sind Ungarn unter Orbán, die Türkei unter Erdoğan und Venezuela unter Maduro.

In dem nun publizierten Artikel vergleichen die Autoren ihre Annahmen vom Frühjahr mit dem zwischenzeitlichen Verlauf. Sie stellen fest, dass die Regierung unter Trump in der Tat sehr rasch diverse rote Linien überschritten habe und die USA in ihrer aktuellen Verfassung insofern nicht mehr als eine Demokratie im westlich-liberalen Sinne zu bezeichnen sei. Hierbei zählen sie diverse Maßnahmen auf, die von Trump im Verlauf dieses Jahres ergriffen wurden und die unter anderem dem Umwandeln des Staates in eine Waffe gegen politische Gegner dienen. Sie berichten auch, dass die daraus resultierende Wirkung die erwünschte Richtung genommen habe. So würden sich etwa frühere Großspender und Unterstützer der Demokraten aus der (begründeten) Angst vor Vergeltungsmaßnahmen des Trump-Regimes nun mehr bedeckt halten. 

Andererseits unterstreichen die Autoren, dass nichts verkehrter wäre, als die Schlacht um die Demokratie bereits für verloren zu erklären. Denn so repressiv und ungerecht die Maßnahmen gegen politische Gegner in kompetitiv-autoritären Regimen auch seien, so würde eben nicht nur dem Anschein nach noch die Chance auf einen Machtwechsel durch Wahlen bestehen, sondern de facto. Auch dafür gebe es historische Vorbilder (etwa Indien unter Gandhi 1977).

Weshalb die USA noch besser dastehen

Auch führen die Autoren im aktuellen Beitrag noch expliziter als im vorherigen Artikel aus, weshalb sie die USA im Hinblick auf eine Rückkehr zur liberalen Demokratie (noch) besser dastehen sehen als vergleichbare kompetitiv-autoritäre Regime (Ungarn, Türkei, Venezuela). 

Zu diesen noch vorhandenen Stärken und Ressourcen gehören:
– dass die Justiz als mögliches Korrektiv für autoritäre (Willkür-)Herrschaft noch nicht so auf Linie gebracht ist;
– dass das Militär – trotz zahlreicher Entlassungen hochrangiger Generäle und Ersatz durch vermeintliche Loyalisten – eine zu große professionelle und militär-ethische Integrität besitze, um umstandslos instrumentalisiert und gegen die eigene Bevölkerung in Stellung gebracht zu werden;
– dass schon die föderale Struktur der USA mit ihren mächtigen Gouverneuren (noch) eine wirkungsvolle Gegenkraft darstelle;
– dass auch die Medien – trotz gravierender und fortlaufender Eingriffe (aktuell z. B. CBS) – noch über ausreichende kritische Eigenständigkeit verfügen, um Machthabern gefährlich zu werden;
– dass es eine sehr breite und starke, auch kapitalstarke, Zivilgesellschaft in den USA gebe;
– dass eine handlungsfähige und geeinte politische Opposition vorhanden sei. 

Die relativ geringe Popularität von Trump – im Vergleich etwa zu Orbán, Erdoğan oder auch zu Maduro, als die jeweils den Staat in ihrem Sinne umzubauen begannen – wird in den Augen der Autoren ebenfalls die Chance vergrößern, eine Wendung und Rückkehr zur Demokratie in den USA noch hinzubekommen. 

Chancen und Gefahren im Kampf um die US-Demokratie

Dabei zweifeln die Autoren nicht daran, dass die Regierung unter Trump nicht vor Wahlmanipulationen zurückschrecken wird, um die eigene Macht zu sichern. Sie denken etwa daran, dass Wähler eingeschüchtert werden, überhaupt zur Wahl zu gehen oder die Opposition zu wählen, oder dass der Zugang zu Wahllokalen erschwert wird, oder dass die Ergebnisse in bestimmten Bezirken einfach nicht akzeptiert werden. 

Selbst wenn der Effekt solcher Maßnahmen aufs Ganze gesehen nur wenige Prozentpunkte betragen würde, könnte das angesichts der zuletzt stets knappen Wahlausgänge dennoch bereits zugunsten von Trump entscheidend sein: „Selbst eine relativ moderate Manipulation könnte 2026 oder auch 2028 bereits wahlentscheidend sein. Aber, das ist ein Risiko, keineswegs gesichert.“ 

In der Summe würden also in den USA die Wahlkabinen, die Rechtsprechung und die Straße als Optionen für den Kampf um die Demokratie weiterhin zur Verfügung stehen. Jedoch: „Keine dieser Optionen reicht für sich alleine“! Es wäre fatal, wenn man sich für die Verteidigung der Demokratie ganz auf die Gerichte verließe oder darauf, dass Massendemonstrationen wie jene zu „No Kings“ den Erfolg von alleine bewirken. Um ein Regime im kompetitiven Autoritarismus zu entmachten, müssen stets alle Strukturen genutzt werden, die darunter noch erhalten geblieben sind. 

Die definitiv größte Gefahr für das Scheitern der Bemühungen um Rückkehr zur Demokratie sehen die Autoren nicht in üblen Machenschaften des Regimes (die finden sowieso statt). Sondern die größte Gefahr sei eine defaitistische Demobilisierung der Öffentlichkeit. Hier würden gewissermaßen sich selbst erfüllende Prophezeiungen gebahnt. Daher hänge das Ergebnis des Kampfes zwischen autoritären und demokratischen Kräften in den USA nicht so sehr von der Stärke des Regimes ab, sondern von der Stärke und Durchhaltebereitschaft der demokratischen Opposition. Dazu passend hatte es am Ende des früheren Beitrags bereits geheißen: „Aber die Opposition kann nur gewinnen, wenn sie im Spiel bleibt. Opposition im kompetitiven Autoritarismus kann zermürbend sein. Durch Schikanen und Drohungen aufgerieben, werden viele Kritiker Trumps versucht sein, sich an den Rand zurückzuziehen. Ein solcher Rückzug wäre gefährlich. Wenn Angst, Erschöpfung oder Resignation das Engagement der Bürger für die Demokratie verdrängen, wird sich der aufgekommene Autoritarismus etablieren.“

Was die angesprochene Durchhaltebereitschaft demokratischer Kräfte und das Nutzen aller Optionen anbetrifft, sei zum Schluss auch ein Text als wertvolle Lektüre empfohlen, den die türkische Journalistin Aslı Aydıntaşbaş zu Beginn der zweiten Trump-Zeit den Amerikanern als ihre Lehre aus der Erdogan-Zeit geschenkt und am 1.12.24 im Politico Magazine veröffentlicht hat. Er ist auf dem Substack von Robert Reich ohne Zahlschranke hier zu lesen. 

Titelfoto: @Gerd Altmann, Pixabay

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Gerald Ullrich, Jahrgang 1959, seit 2005 mit seiner Frau in Schwerin lebend, eher natur- als kulturbegeistert, aber wenn es um Politik und Gesellschaft geht, ist sein Interesse zumeist groß. Als Psychotherapeut gilt seine berufliche Aufmerksamkeit allerdings dem Einzelnen. Er betreibt mit seiner Frau auch einen eigenen Blog.
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