Zeitgenössische Petrykivka-Kunst in Rostock: Die ukrainische Künstlerin Olha Cheromushkina präsentiert Arbeiten im Rahmen der Rostocker Kulturnacht im Gemeinderaum der Nikolaikirche.
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von Til Rohgalf
Olha Cheromushkina ist eine bedeutende Vertreterin der zeitgenössischen Petrikyvka-Malerei. Die Künstlerin knüpft mit ihren Arbeiten an eine lange ukrainische Tradition an. Diese Kunstform ist nicht nur Teil der nationalen Identität, sie gilt seit 2013 auch als immaterielles Kulturerbe auf der Liste der UNESCO.
Seit 2022 lebt die aus Dnipro stammende Künstlerin kriegsbedingt in Rostock. Durch zahlreiche Aufträge und Ausstellungen in Lwiw und Mariupol – weitere Stationen ihres Lebens – hat sich Olha Cheromushkina mit Kunst im öffentlichen Raum in der Ukraine einen Namen gemacht. Mit einer 500 m umfassenden Freskenmalerei an der St. Petro Mohyla Kathedrale in Mariupol schaffte sie es gar in das „Buch der Rekorde” der Ukraine. Schwere russische Raketenangriffe haben die Kathedrale und auch das monumentale Kunstwerk teilweise zerstört.


Die Ursprünge dieser einzigartigen Malerei reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, als Bäuerinnen aus dem Dorf Petrikyvka die bereits tradierte Gewohnheit fortführten, Hauswände, Öfen und Haushaltsgegenstände mit ornamentalen Blumenmustern zu schmücken. Doch Petrykivka wurde mehr als Dekoration. Die bunten Blumen, Blätter und Vögel, die in zarten Schwüngen auf die Wände gemalt wurden, sollten schützen, segnen und bewahren. Ihre Symbolsprache wurde komplexer.
Ab dem 19. Jahrhundert diente auch zunehmend Papier als Trägermedium, was den Grundstein für ihre heutige Bekanntheit legte. Die Techniken wurden innerhalb der Familien weitergegeben, von Müttern an Töchter. Trotz der politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts erblühte die Petrykivka-Malerei weiter und wurde zu einem Exportschlager und kulturellem Aushängeschild in internationalen Museen und Messen.
Heute erlebt dieser Kunststil eine Renaissance. Für junge Künstler*innen ist die Petrykivka-Malerei kein museales Relikt, sondern eine zeitgemäße und dynamische Ausdrucksform. Traditionelle Techniken verbinden sich mit aktuellen politisch-gesellschaftlichen Themen und modernen Medien.
Olha Cheromushkina (*1982) schafft eine ganz eigene Interpretation des kulturellen Erbes und weiß sich von der Tradition zu emanzipieren, ohne sie zu verleugnen. Die Werke zeitgenössischer Petrykivka-Künstler*innen werden Teil von T-Shirts, Taschen und Instagram-Posts oder schmücken urbane Fassaden in Städten wie beispielsweise in Warschau.


Im Zuge des russischen Angriffskrieges ist die Petrykivka-Malerei auch ein Akt des kulturellen Widerstandes geworden. Unter den dramatischen politischen Verhältnissen erwächst somit dieser einzigartige Kunststil zu neuer Blüte.
(Die Fotos zeigen Werke von Olha Cheromushkina)
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