Der Salzpfad

Der Film zum Buch – Kinostart in Deutschland am 17. Juli

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von Manja Wittmann

Bereits 2018 auf Deutsch erschienen, möchte ich aus Anlass des Kinostarts Mitte Juli auf dieses ganz besondere Buch hinweisen. Der Roman ist inzwischen ein internationaler Bestseller geworden und es lohnt sich sehr, es neu zu entdecken oder auch erneut zu lesen.

Eine wahre Geschichte: Raynor Winn und ihr Mann Moth stehen in der Mitte ihres Lebens, als sie ihre gesamte Existenz verlieren, weil sein bester Freund sie betrogen hat. Sie werden obdachlos, und Moth bekommt dazu noch eine niederschmetternde Krankheitsdiagnose: Eine unheilbare, schmerzhafte Nervenkrankheit wird nach und nach seine Beweglichkeit einschränken.

Diese Ausgangssituation lässt Raynor und Moth trotz völliger Wander-Unerfahrenheit spontan beschließen, den South West Coast Path (auch bekannt als Salzpfad) von ihrer Heimat Wales bis nach Dorset zu gehen. Dieser gut 1000 km lange, anspruchsvolle Weitwanderweg führt im Westen Großbritanniens entlang des Atlantiks bis an die Südküste. Ihre letzten Habseligkeiten haben sie bei Freunden untergestellt, die beiden Kinder sind bereits ausgezogen und studieren. Eher verzweifelt als fröhlich starten sie in dieses Abenteuer.

Was nun folgt, ist eine Reisereportage oder ein „Memoir“, keine fein geschliffene Literatur, sondern eher ein Tagebuch aus dem Leben unfreiwilliger Vagabunden. Raynor und Moth haben nur sehr wenig Geld, eine Art Sozialhilfe landet monatlich auf ihrem Konto. Sie campen wild oder kommen bei Leuten unter, die ihnen freundlich helfen. Aber es gibt auch Wanderer, die sich sofort abwenden, wenn sich die zunächst bewunderten vermeintlichen Aussteiger als Obdachlose outen. Oft haben sie richtig Hunger, essen nur billige Nudelsuppen vom Campingkocher oder Löwenzahn vom Feldrand. Sie duschen eher selten, die Klamotten werden nur ab und zu mal in Flüssen gewaschen. 

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Der Weg am Atlantik entlang ist häufig alles andere als idyllisch, viele Höhenmeter sind zu überwinden und das Meer ist nicht immer sanft. Raynor Winn findet immer bessere und treffendere Worte für ihre ausführlichen Natur- und Wetterbeschreibungen. Und immer schimmert bei der Autorin ein starker Überlebenswille und eine (britische?) Selbstironie hindurch, selbst die aussichtslosesten Situationen werden ohne Selbstmitleid dargestellt. Die beiden 50-Jährigen, die seit ihrem 18. Lebensjahr ein Paar sind, retten sich immer wieder gegenseitig. Raynor Winn lässt uns daran teilhaben, wie das monatelange Gehen den Körper verändert, ihn kräftiger und widerstandsfähiger macht. Und sogar Moth, dem die Ärzte hauptsächlich Ruhe und auf keinen Fall körperliche Anstrengungen empfohlen hatten, bemerkt eine Verbesserung seiner Gesundheit. 

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Das Debüt beeindruckt, denn die Autorin schafft es, uns diesen mutigen Weg, den sie mit ihrem Mann gegangen ist, ohne Sentimentalitäten mitempfinden zu lassen, obwohl beide ihr altes Leben zurücklassen müssen. Es entsteht ein regelrechter Sog beim Lesen. Und das unvorhersehbare Ende passt überraschend gut zu diesem außergewöhnlichen Reisebericht eines einmaligen Paares. 

Wer danach noch neugierig ist, wie das Leben der beiden weiterging, kann die Fortsetzung „Wilde Stille“ lesen. Es sei nur verraten, dass es im positiven Sinne wieder steil bergauf ging.

„Der Salzpfad“ von Raynor Winn, Goldmann TB, 416 S., 13 Euro

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Manja Wittmann, ehemals aus der Film- und Fernsehbranche, jetzt Buchhändlerin in München empfiehlt beim Kulturkompass-MV ihre aktuellen literarischen Favoriten, gerne auch von nord- und ostdeutschen Autor*innen.

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