„Architektur der Entwurzelten”

Agata Cieślaks Installationen im Szczeciner TRAFO

von Til Rohgalf 

„We are tending to the remains (IV)” auf Deutsch etwa „Wir kümmern uns um die Überreste“ ist der Titel der jüngsten Ausstellung der polnischen Künstlerin Agata Cieślak. Zu sehen sind ihre Arbeiten in der Stettiner Kunsthalle TRAFO. Sie gestaltet mit Materialien, die als Abfall oder stoffliche Reste gelesen werden können, die Ausstellungsräume. Diese erinnern bewusst an Notunterkünfte und repräsentieren die „Architektur der Entwurzelten”. Jedes der so geschaffenen Objekte hat thematische Schwerpunkte wie „Natur”, „Genuss”, „Glaube”, „Unmittelbarkeit” und „Materialismus”.

Agata Cieślaks Konstruktionen werden von einer Toninstallation begleitet, die verfremdete Zitatschnipsel aus der Popkultur beinhalten. Die Künstlerin versteht ihr Schaffen als einen emanzipatorischen Akt, der blinde Flecken im modernen Kapitalismus identifiziert. Sie fragt: Welchen Platz haben subjektive Bedürfnisse und Präferenzen in einem System, dem eine unerbittliche Verwertungslogik inhärent ist? Was geschieht, wenn Lebensweisen – freiwillig oder ungewollt – außerhalb dieser Systemlogik verortet sind?

Was theoretisch verkopft daherkommt, ist ein ausgesprochen unterhaltsames und sinnenhaftes, ja spielerisches Kunsterlebnis: Es macht Spaß, die vielen akribisch zusammengefügten Dinge des Alltags, aus denen Agata Cieślak ihre Objekte konstruiert, zu entdecken. Eine der Hütten ist sogar begehbar und so aus einer ganz neuen Perspektive erfahrbar. Wer sich intensiver umschaut, entdeckt auch die verglaste Ameisenkolonie. Die Künstlerin züchtet diese Tiere selbst unter artgerechten Bedingungen.

Agata Cieślak ist als bildende Künstlerin, Autorin, Forscherin und Kuratorin aktiv. Als Absolventin des Niederländischen Kunstinstituts Arnheim studierte sie in Warschau Philosophie und promovierte schließlich an der Universität Salzburg. Die enge Verknüpfung theoretischer Forschung und künstlerischen Ausdrucks ist eine ihrer zentralen methodischen Grundlagen. Auch die Nutzung unterschiedlicher Medien und die interdisziplinäre Arbeit sind für Agata Cieślaks Schaffen charakteristisch. 

“We are tending to the remains (IV)” ist der letzte Teil einer 2020 begonnenen Werkschureihe der Künstlerin. Ihre Ausstellung im TRAFO ist noch bis zum 04. Mai geöffnet. 

Fotos: Til Rohgalf

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Til Rohgalf studierte Sonderpädagogik, Philosophie und Geschichte (M.A.), er ist im Schuldienst tätig, musikbegeistert und musikalisch aktiv. Ihn interessieren politische, kulturelle und geistesgeschichtliche Themen.

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