Klützer Literaturhaus: Michel Friedman – Einladung – Ausladung und wie weiter?

Stadtvertreter*innen übernehmen die Einladungsliste des Literaturhauses Klütz 

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Von Peter Scherrer

Der Publizist Michel Friedman sollte im Klützer Literaturhaus »Uwe Johnson« über die Verteidigung der demokratischen Gesellschaft sprechen, die er in seinem neu erschienenen Buch thematisiert. Eingeladen wurde er für den Oktober 2026. Der Anlass ist die geplante Hannah-Arendt-Woche im Literaturhaus zum 120. Geburtstag der Philosophin, die mit dem Schriftsteller Uwe Johnson eng befreundet war. 

Der Auftritt des Buchautors Friedman wurde abgesagt. Kommunalpolitiker, an der Spitze der Bürgermeister Jürgen Mevius (UWG), erteilten dem Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, die Anweisung, Michel Friedman wieder auszuladen. Begründet wurde dies mit möglichen Protesten von Rechtsextremen. Die Absage sorgt für große Aufmerksamkeit in den Medien. 

Festzustellen ist, dass die Stadtvertretung nicht legitimiert ist, dem Leiter des Literaturhauses Weisungen zu erteilen. Der Förderverein Literaturhaus „Uwe Johnson“ Klütz e. V. zeigt sich solidarisch und steht hinter dem neuen Leiter des Literaturhauses. „Als Vorstand des Fördervereins des Literaturhauses „Uwe Johnson“ unterstützen wir die Person Oliver Hintz und seine Arbeit für das Literaturhaus Uwe Johnson”, so die Vorsitzende Barbara Stierand. Sie ist überzeugt, dass es Oliver Hintz gelungen sei, „nach seinem Start im Januar 2025 in der Kürze der Zeit ein anspruchsvolles literarisches Programm für das ganze Jahr 2025 auf die Beine zu stellen“.  Er habe, meint Stierand, herausragende Arbeit geleistet und sei „eine bereichernde Kraft für das Haus, die mit Herzblut und Einfallsreichtum bei der Arbeit ist.” Der Förderverein habe die Einladung von Michel Friedman mehrheitlich befürwortet. Die Absage, veranlasst durch die Stadtvertretung, hält Barbara Stierand für wenig reflektiert und „die Gründe dafür erschließen sich mir noch nicht“, meint die Vereinsvorsitzende. „Ich persönlich befürworte eine Lesung mit Michel Friedman in Klütz und halte die Absage für einen Fehler“, erläutert Stierand auf Anfrage des Kulturkompass-MV. 

Die Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommerns, Bettina Martin (SPD), sieht in der Absage „ein verheerendes Zeichen, wenn – wie berichtet wird – die Verantwortlichen sich durch die Annahme möglicher Proteste aus der rechtsextremen Ecke einschüchtern lassen und im vorauseilenden Gehorsam Herrn Friedman ausladen“. Sie ist überzeugt, dass in einer solchen Situation die einzige Antwort des Staates und der Gesellschaft nur sein kann, diese Veranstaltung und die Sicherheit aller Teilnehmenden zu gewährleisten. Es gelte, „denjenigen Unterstützung anzubieten, die den Dialog und den kulturellen Austausch pflegen“. Sie beobachte mit großer Sorge, dass in unserer Gesellschaft zunehmend Einschüchterungsversuche durch rechtsextreme Kräfte gegen Kulturschaffende vor Ort erfolgen. Sie hoffe, „dass die Verantwortlichen in Klütz doch noch eine gute Lösung herbeiführen werden, denn es wäre ein Offenbarungseid, wenn der wehrhafte Staat schon im vorauseilenden Gehorsam vor rechten Einschüchterungen einknickt.“

Für die Künstlerin und Kuratorin Miro Zahra ist „die Ausladung von Michel Friedman, ausgerechnet während einer Hannah-Arendt-Woche, ein Angriff auf die Kunst- und Meinungsfreiheit“. Die Leiterin des Mecklenburgischen Künstlerhauses Schloss Plüschow ist überzeugt, dass Angst vor Protest nicht zum Maßstab demokratischer Entscheidungen werden dürfe. „Demokratie lebt von offenen Diskussionen – auch wenn sie unbequem sind. Politische Gremien dürfen Kulturprogramme nicht zensieren. Kunst und Kultur brauchen Freiheit. Die Entscheidung in Klütz ist falsch und gefährlich“, meint sie auf Nachfrage des Kulturkompasses. Sie hofft, dass die Gemeindevertretung ihre Entscheidung überdenkt.

Heute Abend soll in einer öffentlichen Sitzung der Stadtvertretung dazu diskutiert werden.

Bürgermeister Jürgen Mevius ließ unsere Interviewanfrage unbeantwortet.

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Titel: Michel Friedman at republica 2025 (Foto: @Leonhard Lenz wikicommons)
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